Montag, 4. November 2013

Die Araukarien


 
Die
Araucarien
Weilmuensters

 
Araucaria araucana (MOLINA) K. Koch 1795 
 Fam: ARAUCARIACEAE
 
 
 
 
 
 
DIE ARAUCARIEN WEILMÜNSTERS
 
Eine Publikation der Artikelserie
 
NATUR DES WEILTALES
 
 
in der "Schriftenreihe Naturwissenschaften"
 
des CID - Verlages, Weilmünster
 
Unabhängiger Internet-Verlag des Privatinstitutes
 
CID - Forschung
 
von
 
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
 
 
 
 
 
 
Die wohl merkwürdigste aller in der botanischen Ordnung KONIFEREN (Coniferales / Nadelbaumgewächse) systematisch zusammengefassten Gehölzpflanzen ist die Araucarie (Araukarie) mit dem wissenschaftlichen Namen Araucaria araucana. Nähert man sich dieser Pflanze ohne botanische Vorkenntnisse an, würde man sie möglicherweise spontan für eine Verwandte der Palmlilien der Gattung Yucca, eine Aloe oder ein Kakteengewächs halten, denn auf den ersten Blick hin haben die dreieckigen, lederharten und mit stachelspitzen Enden bewehrten Blätter, die in symmetrischen Spiralen angeordnet geometrisch exakt alle Wuchsachsen des Baumes umrunden, wenig Ähnlichkeit mit den gemeinhin bekannten Nadeln der Nadelbäume.



Araucaria araucana. Symmetrisch-spiralige Anordnung der Blattnadeln um die Wuchsachsen der Pflanze.


Zur wissenschaftlich-systematischen Gattung ARAUCARIA zählen heute insgesamt 19 Arten, von denen nur 2 auf dem südamerikanischen Kontinent beheimatet sind, während die überwiegende Mehrzahl in Ostasien, Australien, Neu-Seeland, Ozeanien und Indonesien wächst. Weitere nahe Verwandte der Araucarien sind die ostasiatischen KAURI-Bäume der Gattung Agathis mit 21 Arten, sowie Wollemia nobilis, eine vom Aussterben bedrohte und nur im Regenwald von New South Wales lebende Baumart. Desweiteren bestehen phänologische, d.h. vom Aussehen bestimmte Verwandtschaftsbeziehungen zu Gattungen der Zypressengewächse, insbesondere den japanischen Sicheltannen, den Cryptomerien der Gattung Cryptomeria oder manchen Arten der Taxodiaceen.

Schon vor vielen Jahren wurden Araukarien als botanische Besonderheiten von ihren ursprünglichen Wuchsorten nach Europa gebracht und dort als Zierpflanzen verbreitet. Die bekannteste Art aus dieser Familie ist daher die sogenannte Zimmer- oder Norfolktanne (A. heterophylla), deren Jungpflanzen sich wegen ihres symmetrischen Wuchses und der zarten Blattnadeln hoher Beliebtheit als Wohnraumdekorationspflanze erfreuen. Doch nur einen einzige Art der an tropisch-subtropische Klimata gewöhnten Araucarien wächst auf der Südhalbkugel unseres Planeten in mit Mitteleuropa vergleichbaren Klimaregionen und verfügt somit naturgemäß über die notwendige Frostresistenz, die Voraussetzung für eine Anpflanzung im Freiland und ein Überleben an ungeschützten Standorten im Freien bei niedrigen Wintertemperaturen von bis zu - 20 Grad Celsius ist. Es ist dies die Chilenische Araucarie Araucaria araucana, ein mythenumrankter Baum, der nur in einer sehr begrenzten Region der Vulkan-Hochanden im südchilenisch-argentinischen Grenzgebiet natürlich vorkommt.



Verbreitungskarte von Araucaria araucana (grün umrandetes Areal) in Südchile und Argentinien.


Die Limitation der natürlichen Verbreitung der Chilenischen Araukarie ist bedingt durch ihre hohen Ansprüche an ihre spezifischen Standortbedingungen. Zwar wächst die Araukarie auch in anderen Regionen, doch vermehren, das heißt Ausbilden nicht steriler Früchte und deren Nachwuchs am Wuchsort der Mutterpflanze, kann sich der Baum nur, wenn eine exakte Kombination von Temperatur, Jahreszeitenwechsel, Bewässerung durch Niederschlag und Bodenverhältnissen gleichzeitig zusammen existieren, wie es im von Vulkanascheböden bestimmten Hochandengebiet zwischen den Städten Coronel, Puerto Montt und Neuquen der Fall ist.

Diese hochspezifische Anspruchskombination, der hohe Wert des Holzes der sehr, sehr langsam wachsenden Bäume, die große Nachfrage für den Export des Jungwuchses als Zierpflanzen nach Europa sowie die Nutzung der Früchte der "Andentanne" als wertvolle Nahrungsreserve in harten Winterzeiten durch native Indianervölker hat als Wirkungsfaktorkombination in der aktuellen Gegenwart fast zur Ausrottung der ursprünglichen Pflanzenbestände geführt - ein gefährlich-dramatischer Zustand, denn die exportierten Bäume wachsen zwar gut an ihren neuen Standorten auf, können sich dort aber nicht vermehren, da ihre Früchte steril bleiben. Dies würde bedeuten, daß ohne strikte Schutz- und Förderungskonzepte für die Araucarien in Südchile diese außergewöhnlich wertvolle und besondere Pflanzenart in wenigen Jahrzehnten ganz von der Erde verschwinden würde.





Einzelne reife Samen aus dem Fruchtzapfen einer Araucarie
Weilmünster, 27. September 2013



Die Vermehrung der Araucarien

Der Grund für die Vermehrungsunfähigkeit der in Europa wachsenden Araucarien ist vermutlich darin zu suchen, daß keine Araucarienwälder oder größere Baumassoziationen existieren und daß auskeimende Früchte nur selten geeignete Bodenbedingungen vorfinden, die ihr natürliches Anwachsen ermöglichen würden. Die Bäume erfreuen sich zwar großer Beliebtheit als Zierpflanzen, doch werden diese wegen ihres Raumbedarfes und der Verletzungsgefahr an tiefhängenden Ästen fast ausschließlich als Einzelbäume in Gärten oder Parks angepflanzt. Zur Vermehrung ist aber die Platzierung männlicher Pflanzen in unmittelbarer Nähe weiblicher Bäume notwendig, wobei als weiterer vermehrungslimitierender Faktor hinzukommt, daß männliche Bäume erst ab einem Alter von ca. 30 Jahren beginnen, Blütenzapfen auszubilden.   

Die Vermehrungsphase der Araucarien beginnt durch einsetzende Knospung an den Enden der Wuchsachsen. Männliche Pflanzen bilden dort Blütenzapfen aus, weibliche Fruchtzapfen, die aus zusammengesetzten Samen bestehen, welche nach der Fruchtreife langsam auseinanderfallen. Die Samen fertiler Früchte enthalten wohlschmeckende Kerne mit hohem Öl- und Nährstoffgehalt.



Araucaria araucana. Männliche Blütenzapfen.
Frankfurt Palmengarten Sommer 2009
Araucaria araucana. Männliche Blütenzapfen.
Frankfurt Palmengarten Sommer 2009
 
 
 
Araucaria araucana. Knospung und Weiblicher Fruchtzapfen.
Weilmünster 18. Juli 2013
 
Araucaria araucana. Aufwachsender Weiblicher Fruchtzapfen.
Weilmünster 18. Juli 2013




Araucaria araucana. Heranreifender Weiblicher Fruchtzapfen.
Weilmünster 18. Juli 2013

 
 
 

Araucaria araucana. Gereifter Fruchtzapfen zum Zeitpunkt der beginnenden Zerteilung.
Weilmünster 27. September 2013




Araucaria araucana. Zerfallener Fruchtzapfen mit verbliebener Zentralachse.
Weilmünster 27. September 2069



 
Die Fruchtzapfen von Araucaria araucana erreichen an ihren natürlichen Standorten Durchmesser von bis zu 20 cm und ein Gewicht von 3-4 Kilogramm. Sie sind zusammengesetzt aus 20-140 keimfähigen und eßbaren Einzelsamen sowie einer Vielzahl steriler Samenschuppen. Die Samen messen in der Länge von 2,5 bis 7,2 cm haben eine Breite von bis zu 2,5 cm. Die feste, ledrige Schale umhüllt vollständig eine nußähnliche Trockenfrucht, die zu 80% aus Kohlehydraten und etwa 9% Proteinen besteht. Bei einzel wachsenden Araucarien in Europa bleiben die Samenhüllen hohl, da keine vermehrungs- bzw. keimfähigen Früchte entstehen.
 
 
 
Samen von Araucaria araucana. Gesamtlänge ca. 7 cm
Weilmünster, September 2013


Theoretisch vermehrungsfähige männliche und weibliche Araucarien im Andentannen-Arboretum des Frankfurter Palmengartens im Jahre 2007




Ethnobotanik
 
Die erwachsenen Bäume produzieren etwa ab dem 30. Lebensjahr jährliche Ernten, wobei die Erntemenge schwankt und im 3-Jahres Rhythmus jeweils besonders reichhaltige Ernten entstehen sollen. Ethnobotanisch interessant ist, daß 3 Araucarien-Arten mit vergleichbarer Fruchtproduktion, die in unterschiedliche Weltregionen wachsen, eng mit Naturvölkern assoziiert sind, die sich auf die Ernte der Araucarien-Früchte spezialisiert haben. Es handelt sich um folgende Arten, Regionen und Völker:

Araucaria araucana - Anden Süd-Chile & Argentinien - Pehuenche Indianer
Araucaria angustifolia - Brasilien Rio Jacui / Porto Alegre - Kaingáng Indianer
Araucaria bidwillii - Australien Ost Queensland / Bunya Mountains - Kabi Indianer.

Der Name der einstmals in den Hochanden Chiles lebenden Pehuenche leitete sich direkt vom indigenen Namen der Bäume ab, die in der Sprache der südchilenischen Mapuche-Indianer "Pehuen" genannt werden, während der Zusatz "Che" Mensch bedeutet. Pehuenche sind somit die "Araucarien-Menschen". Der heute als selbständig definierte Ethnie verschwundene und vermutlich im Stamm der Mapuche aufgegangene Indianerstamm der Araucarien-Menschen wurde erstmals im Jahre 1563 von einer Expedition spanischer Marine-Soldaten unter Capitan Pedro de Leiva registriert, die die Pehuenche als "schlanke, hochgewachsene Indios" beschrieben, welche sich "von Piñones (Piniensamen) eines seltsamen Baumes ernährten". (Aus: Golte, Winfried (1983): Araukariensamen als Nahrungsgrundlage. Erdkunde Bd. 37/1983 227-236).



Darstellung Araucaria-Samen erntender Pehuenche
"Los Piñales de Nahuelbuta"
Aus: C.Gay (1966): Atlas de la Historia Fisica y Politica de Chile. Paris.  


Zur Herbstzeit der Südlichen Breiten, von Mitte März bis Mai, zogen die Pehuen Indianer in Gruppen mit Zelten in die Araucaria-Region, deren Verbreitungsareal auf 800-1300-1600 Metern über Meersniveau liegt, wobei die Bäume in tieferen Lagen in Mischwäldern zusammen mit den sogenannten "Südbuchen" der Gattung Nothofagus wachsen. Unter den Stammesmitgliedern waren die Baumbestände in eigentumsähnlicher Form aufgeteilt, wobei man davon ausgeht, daß der Fruchtertrag von 18 Araucarien ausreichte, um den Kohlehydratbedarf einer Person für 1 Jahr zu decken, wobei eine Zahl von 20-30 Zapfen pro Baum und Jahr bestehend aus je 200-300 eßbaren Samenkernen zu Grunde gelegt wird.
 
Die Zubereitung der Früchte erfolgte durch die Frauen. Die Früchte wurden entweder frisch gegessen bzw. gekocht oder geröstet, ähnlich wie Eßkastanien. Als Wintervorrat wurden sie zuerst gesiedet und dann getrocknet und anschließend zu Mehl verarbeitet. Durch Gärung gewann man aus ihnen auch ein berauschendes Getränk (Chicha).


 
An Verletzungspunkt von Araucaria araucana austretendes Baumharz
Weilmünster, 6. November 2013
 
 
 
Neben der Nutzung als Nahrungspflanze  hat die Araucarie bei der einheimischen, insbesondere indianischen Bevölkerung desweiteren wichtige Bedeutung als Medizinalpflanze, und zwar insbesondere in Bezug auf die heilenden Wirkstoffe in den Pflanzensäften der Bäume. An Verletzungspunkten der Bäume, insbesondere an der Rinde und an Abrißstellen der Wuchsachsen, setzt Araucaria araucana ein weißlich-trübes, zähflüssiges und wohlriechendes Baumharz mit Zitruspflanzen- bzw. Zitronenmelissen-Aroma frei. Beschrieben und nachgeprüft ist die erstaunlich schnelle Wirksamkeit dieses Baumharzes bei der Unterstützung der Wundheilung bei leichten Hautverletzungen, schwer heilender, rissiger Haut, Entzündungen und Ekzemen.

Nach Informationen von C. Rechene (2007) nutzen die Indianer bzw. Einheimischen die antibakterielle Wirkung des Araucarienharzes als Desinfektionsmittel. Das von Generation zu Generation weitergegebene, ethnomedizinische Wissen der Pehuenche und Mapuche beruht dabei auf Erfahrungswerten der praktischen und experimentellen Anwendung. Wissenschaftliche Untersuchungen der Inhaltstoffe des Araucarien-Harzes und daraus abgeleitet entwickelte Heilmittel wie Wundsalben etc. sind hier nicht bekannt. Ebensowenig liegen Daten zur kommerziellen Nutzung des Baumharzes von Araucaria araucana vor, wie sie beispielsweise in Form der aus den verwandten Kauri-Bäumen der ostasiatischen Agathis-Arten gewonnenen Kauri- oder Manila-Kopale zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zur industriellen Naturstoffgewinnung noch eine bedeutende Rolle spielte.

Wegen des, in Anden-Gebirgshöhenlagen mit Winterjahreszeiten im Vergleich zu den Mittelgebirgs- oder Tieflandstandorten der verwandten brasilianischen oder ostasiatischen Araucariaceae deutlich langsameren Wachstums der Chilenischen Araucarie ist vermutlich die forstwirtschaftliche Rohstoffgewinnung aus den selteneren Andentannen zu weniger Bedeutung gelangt, als dies beispielsweise bei Araucaria angustifolia in Brasilien der Fall war, deren ehemals flächendeckende Waldbestände wegen des wertvollen Holzes in ihren Ursprungsregionen heute nach Literaturangaben weitgehend verschwunden sein sollen. Trotzdem sind auch die chilenischen Araucarien-Bestände durch die Verarbeitung des Holzes zu Möbeln und Furnieren mittlerweile so stark dezimiert worden, daß sie international als "bedrohte Art" auf die "Rote Liste" gesetzt wurde und der Handel mit ihr nach dem CITES-Artenschutzabkommen heute untersagt ist.

Dahingegen ist die indianische Nutzung der Bäume an deren Ökologie und Bestandbewahrung angepaßt. Der Baum gilt bei den Einheimischen als "heilige Pflanze", verwendet werden nur ihre regenerierbaren Teile, die Pinienkerne und das Harz. In einmal bestehenden Araucarien-Wäldern ist die Entnahme der Früchte nicht bestandsgefährdend, da der Nachwuchs durch die Bestandsdeckung sowieso limitiert ist. Sind heute aber nur noch Reliktpopulationen vorhanden, dann stellte die massive Entnahme von Samen als Nahrungsmittel oder Exportsaatgut einen erneuten bzw. weiteren Bestandsgefährdungsfaktor dar. Es ist also wichtig zuerst sicherstellen, daß die noch existierenden Bestände sich wieder bestandsbewahrend vermehren, bevor weitere Entnahmen von Araucarien-Samen aus den natürlichen Beständen erlaubt werden können. Unterstützend könnten hierzu die Vermehrung eines bestimmten Prozentsatzes des Pflanzennachwuchses in regionalen Baumschulen und deren Wiederauspflanzung an den natürlichen Standorten wirken.

Ungestört können die Bäume ein Alter von 1.500 Jahren erreichen und vermutlich auch noch älter werden. Als Pflanzen des Mesozoikums werden die Araucarien heute bisweilen als "Lebende Fossilien" bezeichnet und gleichen darin ihren "Urwelt-Verwandten" in Nordamerika, den Sequoias aus Californien und Oregon.



Stamm und Äste eine etwa 40-jährigen Araucarie
Weilmünster, 6. November 2013



Indianische Symbolik und Mythologie der Bäume sind bestimmt vom wehrhaften Aussehen der mit messerscharfen Nadelschuppen besetzten Stämme der jüngeren Pflanzen, die eine direkte Annäherung unmöglich machen. Diese Tatsache stellt auch die bereits oben zitierten historischen Berichte spanischer Reisender in Frage, in denen die Ernte der Fruchtzapfen mittels Lasso "oder durch Besteigen der Bäume" erwähnt wird. Ein Klettern entlang des Araucarien-Stammes oder Astes ohne Schutzanzug wäre unmöglich. Erst bei älteren Bäumen, die dann zu Wuchshöhen bis 40 Metern aufwachsen, fallen die Blattnadelschuppen der unteren Stammregion ab

Indianischen Ursprungs ist vermutlich der Name "Schlangenbaum", wobei beim Anblick der Schlangenkörper suggerierenden Äste symbolische Assoziationen zum "Kopf der Hydra" entstehen könnten. Auch der christlichen Symbolik und Vorstellungswelt nahe ist der Baum im Bezug zur "Dornenkrone", was jeglichen weiteren diesbezüglichen Phantasien Tür und Tor öffen mag. Weitaus abstrakter ist der von Nordamerikanern verwendete Populärname "Monkey Puzzle Tree" oder Affenschwanzbaum. Schuppentanne, Andentanne, Chilenische Schmucktanne und Chilenische Araucarie sind die bei weitem gebräuchlichsten Namen für diese Pflanze. Im Spanischen sind die Bezeichnungen pehuén, piñonero, pino araucaria, pino chileno und pino de brazos gebräuchlich. Desweiteren ist die Araucarie sicherlich eine der wenigen Pflanzen, der man keinerlei verborgene sexuelle Symbolik nachzusagen vermag.

Wissenschaftliche Synonyme für den Artnamen Araucaria araucana sind: Pinus araucana Mol., 1782, Dombeyana chilensis, Araucaria imbricata, Columbea quadrifaria, Araucaria chilensis, Araucaria dombeyi.



Der "Schlangenbaum" Araucaria araucana
Weilmünster, 6. November 2013 



Seitenastspitze von Araucaria araucana
Weilmünster, 6. November 2013
 
 

 
 




 

Araucarien in Weilmuenster

Mit dem Bau der schloßähnlichen Wohnanlage mit zum damaligen Zeitpunkt modernen, kleinstädtischen Selbstversorgungsstrukturen zwischen 1893 und 1910 im Förch-Wald östlich Weilmuensters in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemaligen Audenschmieder Buderus-Eisengießerei, die im Verlauf ihrer wechselvollen Geschichte bisher unter anderem als Wohnanlage, Sanatorium, Landesheilanstalt, Kriegsgefangenenlager, Alliiertes Verhörzentrum, Neurologische Klinik, Psychiatrie, Irrenhaus, Erholungsheim, Landwirtschaftlicher Betrieb und Reitsportferienanlage genutzt wurde, erfolgte auch die Anlage einer großzügigen Parkanlage im Stile fürstlicher Gärten wie derer zu Braunfels, Weilburg und Bad Homburg. So ist das Vorkommen zu diesem Zweck aus Nordamerika, Südeuropa und Ostasien importierter Baumarten, die für viele Taunusgemeinden noch eine seltene Ausnahme darstellen, in Weilmünster und seiner näheren Umgebung nichts außergewöhnliches. (Siehe: Die Mammutbäume Weilmünsters).

Mit dem Zusammenwachsen des Ortes und des Sanatoriums hielten so ursprünglich nicht "einheimische" Pflanzenarten Einzug in die immer großzügiger angelegten Gärten der Wohnhäuser und erfreuten sich dort wachsender Beliebtheit. Demgegenüber ist der Einzug der Araucarien von der Südhalbkugel des Planeten Erde in das gärtnerisch gestaltete Landschaftsbild des Ortes Weilmünster auf die letzten 40-45 Jahre beschränkt. Zimmertannen der bereits oben erwähnten Art Araucaria heterophylla waren zwar schon länger bekannt, sind aber für ein Auspflanzen ins Freiland bzw. das Überwintern nicht geeignet. So isind, selbst wenn es in botanischen Gärten anderenorts in Deutschland ältere Araucarien geben sollte, die am höchsten aufgewachsenen Chilenischen Andentannen in Weilmünster erst in den 60er-70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angepflanzt worden.



Einer der ältesten Araucarien-Bäume des Ortes, gepflanzt etwa 1965-1970
Weilmünster, 6. November 2013

Unbestrittenermaßen wurde in der zweiten Hälfte der 60er Jahre im Hauptort Weilmünster eine Anzahl Auraucarien mehr oder weniger simultan gepflanzt, nachdem diese von Weilmünsterer Bürgern in der Gärtnerei der Benediktiner-Abtei Kloster Maria Laach in der Eifel entdeckt und mitgebracht worden waren. Dies führte in der Folge zur Anpflanzung von Bäumen derselben Herkunft auch in anderen Ortsteilen der Großgemeinde. Die Abtei Maria Laach betreibt neben landwirtschaftlichen Betrieben und touristischen Einrichtungen am Vulkan-Maar des Klostergutes auch handwerklich-künstlerische Ateliers wie Buchwerkstatt, Verlag, Bildhauerei, Kunstschmiede, Schreinerei, Glockengießerei sowie eine Gärtnerei. Hierhin gelangte in den 50er-60er Jahren auch Araucarien-Saatgut bzw. Keimlinge, die dort aufgezogen und verteilt wurden.

Im Hauptort Weilmünster wachsen gegenwärtig mindestens noch 3 Araucarien dieser Generation, wobei eine Pflanze in der Sudetenstrasse im Jahr 2012 zwar gefällt wurde, doch deren Wurzelstock noch intakt geblieben ist, was die Hoffnung auf die Ausbildung von neuen Wurzelsproßen im Jahr 2014 offenhält. Die beiden anderen Bäume sind weiblich und bildeten in den vergangenen 2-3 Jahren erstmals Fruchtzapfen aus.



Fruchtzapfen einer der beiden weiblichen, 40-jährigen Araucarien Weilmuensters.
Weilmuenster, 6. November 2013.



Wie schon erwähnt ist das natürliche Wachstum der Araucarien für Bäume extrem langsam. Um ein Keimpflänzchen von ca. 2,5 Zentimetern Größe zu entwickeln benötigt ein Araucarien-Samen zuerst 2-3 Jahre. Dies begründet, daß der Neuaufwuchs an natürlichen Standorten in den Anden nur Erfolg hat, wenn die direkte Umgebung der Pflanze vollkommen ungestört bleibt und nicht beim Sammeln heruntergefallener Früchte zertrampelt wird. In den ersten Jahren ist das Höhenwachstum der Bäume minimal und beträgt nur venige Zentimeter pro Jahr. Ab einem Alter von 10-15 Jahren sind dann - je nach Standort, Sonnenlichtbestrahlung, Regenwassermenge, Tiefgründigkeit des Bodens und Bodenbeschaffenheit - jährliche Höhenzuwachsraten von bis zu 30 cm möglich.



Etwa 45-jährige Araucarie aus der Gärtnerei der Benediktiner Abtei Maria Laach
Weilmünster, 6. November 2013



Die aktuelle Wuchshöhe der beiden ältesten, jetzt etwa 45 Jahre alten Bäume beträgt im November 2013 etwa 8 Meter. Die Pflanzen sind noch vollständig von der Krone bis zum Boden beastet, mit der Einschränkung, daß bei dem in einem schmalen Vorgarten wachsenden Baum die untersten, über die Gartenmauer auf das Trottoir reichenden Äste wegen der Gefährdung der Passanten und im Garten spielender Kinder gestutzt werden mußten. An natürlichen Standorten in Chile ist zu beobachten, daß ältere Bäume nur noch in der Kronenregion Äste tragen. Ob das Abwerfen von Ästen der unteren Stammregion natürlich ist oder Folge der organisierten Beerntung der Pflanzen, ist hier unbekannt.



13-jährige Araucarie, die aus im Jahr 2000 aus Chile mitgebrachten Samen herangezogen wurde.
Weilmünster, 6. November 2013


 
Seit der Jahrtausendwende werden junge Araucarien-Pflanzen in Deutschland zu noch erschwinglichen Preisen in Baumärkten oder im Internethandel angeboten. Dort können von Chile-Reisenden auch keimfähige Samen oder Keimpflänzchen erworben werden.  Die in Gärtnereien angebotenen Pflanzen aus Baumschulen, die bereits Wuchshöhen von 30-50 Zentimetern erreicht haben, sind deutlich teurer und kosten bereits bis zu 100,-- Euro. Wenige Meter hohe Araucarien aus Gärtnereien sind nicht unter 1000,-- Euro zu finden. 
 
Die Baumarkt-Araucarien erfreuen sich großer Beliebtheit und sind im letzten Jahrzehnt in zahlreichen Gärten des Ortes neu angepflanzt worden. Dabei durchlaufen diese Pflanzen beim Einsetzen an dem neuen Standort bis zum Einwurzeln in den Boden eine kritische Phase, in der sie besonders empfindlich sind und intensiver gärtnerischer Pflege bedürfen. Die Jungpflanzen müssen stark bewässert werden und sind in den ersten Wintern vor Frost zu schützen. Manche dieser Araucarien haben sich in den letzten 8-10 Jahren erfreulich und erstaunlich gut und schnell entwickelt, während eine Reihe kleinerer Bäume in der Weil zugewandten Hausgärten an der Weilstrasse während der starken Fröste der Jahre 2010-2012 den Standortwechsel nicht überstanden haben.
 



8-jährige Araucarie aus einem Weilburger Baumarkt, die die riskante Anpflanzphase gut überstanden hat
Weilmünster, 6. November 2013



Vermutlich etwa 15-20 jährige Araucarie unbekannter Provenienz.
Weilmünster, 6. November 2013


Die erfreulich große Zahl gut gedeihender Araucarien in Weilmünster zeigt, daß die klimatischen Bedingungen in der Mittelgebirgsregion Taunus geeignet für die Anpflanzung dieser ungewöhnlichen Baumart sind. Somit wäre es auch vorstellbar, daß bei der Anpflanzung einer größeren, zusammenwachsenden Baumgruppe in Form eines Araucarien-Arboretums eine Experimentalpflanzung zur Aufzucht vermehrungsfähiger Bäume geschaffen werden könnte, dies allerdings nicht aus forstwirtschaftlichen Gründen. Opfer des Raubbaues an den chilenischen Araucarien wurden dort in der Vergangenheit hauptsächlich hohe Bäume  im Alter von etwa 500 Jahren. Dies würde die gegenwärtig üblichen Forstplanungszyklen deutlich übersteigen. 
 
Ein Araucarien-Arboretum am Standort Weilmünster könnte dahingegen 2 Zwecke verfolgen. Zum einen bestünde die Möglichkeit zu studieren, ob ein flächiger Araucarienwald in Hessen vermehrungsfähiges Saatgut hervorbringen kann. Beim hohen Preisgefüge für diese Pflanzen wäre dies ein interessanter ökonomischer Aspekt. Zum Zweiten könnte im Rahmen eines Araucarienwaldprojektes die Ernte und medizinische Nutzung des Araucarienharzes als Heilwirkstoff für Hauterkrankungen erprobt werden. Selbst bei nicht realisierbaren Vermehrungsversuchen hätte der Wald somit einen besonderen Wert als Quelle für Naturheilmittel. Zudem wäre eine solche botanische Anlage mit Sicherheit eine Touristenattraktion und somit wertvoll für Weilmünster.
 
Besonders geeignet erscheinen für die Anlage eines Araucarienwaldes ehemalige Bergbaustätten auf dem Gemeindegebiet, insbesondere nicht mehr in Betrieb befindliche Steinbrüche (Krekel) oder ehemalige Schieferhalden (Mehlbachtal, Langhecke). Im weiteren Umland Weilmünsters böten sich auch die sonnenbeschienenen, felsigen Steilhänge des Lahntales zwischen Weilburg und Runkel  für die Anlage eines Araucarien-Arboretums an.
 
 
 
 
Ast einer ca. 40-jährigen Araucarie im Winter 2012-2013
Weilmünster, 23. Januar 2013
 
 
 
 
 
 Literatur
 

Araucaria araucana - Wikipedia (deutsch)  
http://de.wikipedia.org/wiki/Chilenische_Araukarie

Araucarien in "Chile Bosque" (spanisch)
http://www.chilebosque.cl/tree/aarau.html

Winfried Golte (1993):
Araucariensamen als Nahrungsgrundlage. Eine kulturökologische Konvergenz dreier Erntevölker in Südamerika und Australien. ERDKUNDE, Bd. 37 / 1983. S. 227-236.l

Ohne Literaturangabe:
Drogenhandbuch. Naturstoffe. Kopale.

Pilger, R. (1926):
Araucariaceae. In: Engler, A. Hrsg. (1926): Die natürlichen Pflanzenfamilien. 2. Auflage, Bd. 13. Gymnospermae. Leipzig. S. 249-266

Rechene, Cristina (2002):
Los Bosques de Araucaria araucana en Argentina. CIEFAP. Esquel. Chubut. Argentina. Universidad Técnica de Munich. Freising. Alemania.

Rechene, Cristina y José Bava (2003):
Los bosques de Araucaria araucana en Chile y Argentina. Estudios Silvícolas y propuestas para su conservación y uso en Argentina. Programa de Apoyo Ecológico (TÖB). Deusche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH. Eschborn. Alemania.

Rechene, Cristina et al (2004): 
Conservación de los Bosques de Araucaria. Guía de difusión. Programa de Apoyo Ecológico (TÖB – GTZ). Eschborn, Alemania

Rechene, Cristina (2007):
Pers. Komm.

Hueck, Kurt (1978):
Los Bosques de Sudamerica. Schriftenreihe der GTZ. Eschborn. 476 S.

Herrmann, Thora Martina (2003):
Knowledge, values and management of the Araucaria araucana forest by indigenous mapuches pewenche communities of the IX region in the chilean andes. Dissertation. Verlag im Internet GmbH. Berlin 
 
 
 
Nachtrag
vom 4. Dezember 2013

Im vorangehenden Artikel wurde festgestellt, daß die in Deutschland wachsenden, vermehrungsreifen Araucarien keine fertilen Früchte produzieren bzw. deren Einzelfrüchte hohl und ohne den eßbaren "Pinienkern" bleiben. Als Grund hierfür wurde angenommen, daß selten männliche und weibliche Bäume unmittelbar nebeneinander gepflanzt werden und somit die Möglichkeit einer gegenseitigen Befruchtung gering bleibt. Möglicherweise gegenläufige Erkenntnisse aus Experimentalpflanzungen von Araucarien in Deutschland lagen zumindestens bis heute noch nicht hier vor.

Nun wurde beim Besuch einer Araucarienbaumgruppe am 3.12.2013 im Arboretum zwischen Bad Schwalbach, Sulzbach und Eschborn westlich von Frankfurt eine größere Zahl von Früchten mit Kernen neben großen Mengen kernloser Einzelfrüchte unter den Bäumen gefunden. Es handelt sich bei der Araucariengruppe um 4 eng nebeneinanderstehende Andentannen, von denen 2 schätzungsweise 25 jährige Bäume weiblich und 1 Baum männlich sind, ein weiterer, deutlich später dazu gepflanzter Jungbaum ist vermutlich noch nicht viel älter als 10 Jahre und ist bisher nicht erkennbar sexuell ausdifferenziert.



Araucarien-Baumgruppe im Arboretum westlich Frankfurt am 3.12.2013



Wegen des geringen Pflanzabstandes der 4 Einzelbäume, deren Stämme in einem Abstand von ca. nur jeweils 3 Metern nebeneinander gepflanzt wurden, kommt es zum direkten Kontakt der Araucarienäste untereinander. Dies bildet möglicherweise die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Verbindung der männlichen Blütenstände mit den weiblichen Fruchtzapfen. Letztere waren noch in Resten der diesjährigen Fruchtstände an den Ästen des am weitesten Weg-abgewandten Baumes erkennbar. Leere Einzelfrüchte aus den Zapfen lagen in großer Zahl unter diesem Baum. 




Blühende und fruchtende Araucarien-Baumgruppe im Arboretum



Der in der Mitte der Vierer-Gruppe wachsende, reife männliche Baum trug zahlreiche trockene Blütenzapfen aus dem vergangenen Jahr 2013. Die neuen Ansätze der nächstfolgenen Blütenzapfen sind im Dezember 2013 bereits kräftig ausgebildet und noch weitaus zahlreicher als die diesjährigen Blütenstände.



Im Dezember 2013 gelblich-hellgrüne heranwachsende Blütenzapfen neben trockenen Blütenzapfen aus der abgelaufenen Vegetationsperiode.






Im Dezember 2013 gelblich-hellgrüne heranwachsende Blütenzapfen neben trockenen Blütenzapfen aus der abgelaufenen Vegetationsperiode.




Frischer Araucarien-Blütenstand am 3. Dezember 2013



Direkt unterhalb des Areales, wo sich die Äste der blühenden männlichen Araucarie mit den Ästen des Weg-abgewandten, weiblichen Baumes ineinander verweben, wurden am 3.12.2013 insgesamt 22 fruchttragende Einzelfrüchte vom Boden aufgesammelt, die dicht beieinander in der grasigen Vegetation lagen, so daß zu verrmuten ist, daß alle reifen und somit theoretisch auch keimfähigen Früchte aus einem einzigen Fruchtzapfen stammten. Eine geöffnete Einzelfrucht enthielt einen blaßgelb-weisslichen "Pinienkern" von ca. 2 cm Länge, dessen relativ weiches Fruchtfleisch sich leicht zerkauen ließ und angenehm schmeckte.











Die Abmessungen eines von der Schale befreiten Araucarien-Kernes sind 4,5 cm in der Länge, in der Breite 1,5 cm und in der Höhe 0,8 cm.










Die erfreulich starke Blütenentwicklung an der männlichen Araucarie im Dezember 2013 läßt erhoffen, daß sich im Jahre 2014 in den Fruchtzapfen des weiblichen Baumes eine noch größere Zahl reifer und keimfähiger Araucarien-Kerne entwickeln werden. Die theoretische Möglichkeit einer anthropogenen Einflußnahme auf die Präsenz der kerntragenden Samen unter den Bäumen - etwa zur experimentelle Saatgutvermehrung - kann zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden, die Wahrscheinlichkeit, das heimkehrende Chile-Reisende ihre botanischen Urlaubsmitbringsel im Arboretum ausgestreut haben ist aber sehr gering, denn die wertvollen Früchte würde niemand einfach so wegwerfen.






 

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